Martin Dalz

Bilder, Texte und Musik

Harmonium

Das Harmonium war früher (ca ab 1850) ein weit verbreitetes Instrument, welches 100 Jahre später mit der Einführung der elektronischen Heimorgel nach dem 2. Weltkrieg so langsam sein Ende fand. Die letzte Harmoniumfabrik gab es bis in die 1970'er Jahre in der DDR, die damit zum Schluss ein einsames Weltmonopol hatte - man hatte dort den Anschluss an die Welt einfach verpasst und so gab es eine ganze Weile lang noch Harmoniumzungen (das sind die Klangerzeuger) nur noch aus der DDR.

Das Harmonium war ein Massenprodukt und wurde in riesigen Stückzahlen verkauft. Es gab einige Fabriken in Europa und noch viel mehr in Nordamerika/Kanada. Wen's interessiert, möge bei Rodney Jantzi nachschauen, ein Kantor einer Kirchengemeinde aus Kanada, dessen Hobby das Hormonium (amerik. 'Reed Organ') ist. Der hat ganz viel Material bei Youtube eingestellt, von ihm hab ich (via Youtube) gelernt, wie man ein Harmonium restauriert. Wenn auf seiner Website oft der Ausdruck 'poor condition' vorkommt (schlechter Zustand) - mein Harmonium war auch in einem solchen Zustand, als ich es gekauft habe.

Die Geschichte der amerikanischen und kanadischen 'Reed Organs' kann man bei Rodney erfahren und Bilder wunderschöner Harmonien sehen, es gibt nichts vergleichbares im europäischen Raum - obwohl sie hier (in Frankreich und Deutschland) im 19. Jahrhundert einen Schwerpunkt hatten. Rodney hat auch eine Menge Hörbeispiele auf seiner Website (Menüleiste: MP3 anklicken), einfach mal stöbern! Hier kannst Du ein neues Fenster öffnen: Rodney Jantzi. Die amerikanische Bauform (als Saugluftharmonium im Gegensatz zum europäischen Druckluftharmonium) hat sich Ende des 19. Jahrhunderts weltweit durchgesetzt, es war wohl in der Produktion einfach preiswerter. Wen's interessiert: in der Wikipedia: Thema Harmonium, da gibts einen schönen Artikel dazu.

Harmonium    Klaviatur

Mein Harmonium ist etwa 120 Jahre alt, genau kann ich es nicht bestimmen. Ich weiss noch nicht einmal, von welcher Firma es hergestellt wurde, der Fabrikatsstempel ist vorhanden, aber verblichen. Es muss um die Jahrhundertwende (1899/1900) oder in den Jahren vorher gebaut worden sein, auf jeden Fall vor dem ersten Weltkrieg. Es hat deutliche Jugendstilelemente (Arkanthusverzzierungen, Leiermuster auf den Teppichen der Trittschemel, geschnitzte/gefräste Seitenverzierungen). Wobei - die Kerzenhalter waren nicht mehr vorhanden (nur noch die Löcher der Schrauben), ich hab neue bei EBay gekauft, natürlich in Jugenstilart designt. Ich finde, sie passen gut zum Design.

Ich habe das Instrument komplett zerlegt, in der Mechanik einen Fehler gefunden und beseitigt, alle Stimmzungen herausgenommen und vom Staub befreit sowie die eventuell verbliebenen Holzwürmer vergiftet (musste sein) und die Holzwurmlöcher mit Wachs geschlossen sowie die Schöpfbälge und das Windmagazin neu abgedichtet. Die Stoffe hinter den Schalllöchern waren zerfallen, ich hab neue dorthin montiert, die den Originale ähnlich sehen. Der Stoff ist wichtig, weil er einen Staubfilter darstellt - das Instrument saugt die Luft ja als erstes durch die Stimmzungen. Die setzen sich gerne mit Staub zu, dann fallen die entsprechenden Töne aus oder schnarren.
Außerdem habe ich ein gerissenes Band (zwischen linkem Trittschemel und Schöpfbalg) durch einen Rollogurt ersetzt - das ist nicht historisch (die haben Polsterbänder aus Sackleinen benutzt), tut's aber. Ich will ja kein Museeum aufmachen, sondern spielen!

Das Instrument hat 10 echte Register (dazu zwei abgeschwächte Register fürs leise spielen) mit je 30 Stimmzungen, dazu Bass- und Diskantkoppel, Forte (im Bass und im Diskant) sowie eine 'Vox humana'. Die beiden Kniehebel bedienen ein 'Generalforte' (alle Klappen auf) und ein 'Grand jeux' (alle Register auf). Dann muss man wohl heftig Pumpen, das braucht viel Luft . . . Vielleicht muss ich die Schöpfbälge und das Windmagazin wirklich mal erneuern. Ist aber auch zu laut für die Nachbarn, deswegen benutze ich es nie.

Die Register werden in 'Fuß' (Längenmaß für die Pfeifen) bezeichnet, analog zur Kirchenorgel: Bassregister 1 mal 16', 2 mal 8', 1 mal 4' und einmal 2', im Diskant: 1 mal 4', zweimal 8' und 1 mal 16'

Trittschemel   Verzierung

Ein Hörbeispiel, auf meinem Harmonium eingespielt: 'Ich bete an die Macht der Liebe'

Ein weiteres Hörbeispiel: 'Menuett aus Don Juan' von Wolfgang Amadeus Mozart

Das Knattern und Klappern gehört zum Instrument, es sind die Geräusche, die das Treten und der Registerwechsel (nach der Wiederholung) verursachen.
Wer mehr hören möchte, möge sich auf Rodney Jantzis Playlist auf Youtube mal umtun

Musik

Musikinstrument

 

Be creative, make music and have fun! (Rodney Jantzi).